Erschütterungen bringen Verschüttetes, Verlerntes zu Tage und sind die
Vorausetzung für spontane Sprünge und entscheidende Neuorientierungen.
Begriffe wie Kindheit und
Erwachsensein, Lernen und Bildung sind Erfindungen der letzten beiden
Jahrhunderte. Schon in ihre ersten Ansätzen geht die frühe Pädagogik von einem
idealtypischen Menschenbild aus und erzieht den Menschen gemäß dieser
Idealvorstellungen. Institutionelle Einrichtungen wie Schule, Miltiär, Lehre
übernehmen die Rolle der Familienstruktur, binden und verpflichten in unserem
Kulturkreis das Individuum auf die kollektiven Regeln der jeweiligen
Gesellschaft. Sie moderieren aber auch die jugendlich-adoleszenten Energien
und suchen sie zur Weiterentwicklung der Gesellschaft zu kanalisieren.
So lassen sich
europäische Bildungseinrichtungen seit ihrer Erfindung als ein Reflex auf die
ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen beschreiben und haben sich
in ihren Grundannahmen in den letzten 100 Jahren kaum verändert. Galt jedoch
noch vor 30 Jahren, daß man am Ende einer Ausbildung über ca. 80 % des
benötigten Wissens verfügte und die restlichen 20 % sich veränderten; so hat
sich dieses Verhältnis heute nahezu umgekehrt.
Die Forderung eines
lebenslangen Lernens stellt heute einen notwendigen Paradigmenwechsel
bezüglich Menschenbild und Bildungzielen dar.
Im Zuge eines globalen
Denkens zielt die Forderung des lebenslangen Lernens vordergründig auf die
Notwendigkeit einer lebenslangen Flexibilisierung unter sich schnell
wandelnden ökonomischen Bedingungen. Sie darf jedoch nicht einseitig
verstanden werden als Bewegung zur bloßen Erhaltung der individuellen
Anpassungfähigkeit an sich verändernde ökonomisch und materieller Bedingungen.
Lebenslanges Lernen bedeutet ebenso, den emanzipatorischen Prozess des
Einzelnen hin zu einer Souveränität seines Handelns und hin zu einer
Souveränität seines kreativ-gestalterischen Potentials. Lebenslanges Lernen
bedeutet also ebenfalls die Lösung individuellen kreativen Vermögens aus dem
unbewußt ansetzenden Anpassungsanspruch der kollektiver Strukturen und
ausgehend von dieser neuen Souveränität die Gestaltung des jeweils
persönlichen Beitrags zum gesellschaftlichen Dialog im kulturellen Handeln.
In allen Kulturen unserer Welt
nimmt das Spiel und das künstlerisch–kreative Schaffen die Schlüsselrolle im
sozialen Leben ein. Über Spiel, Tanz, Ritual künstlerisches Schaffen
organisiert sich das alltäglich Zusammenleben integriert und veröffentlicht
sich der Einzelnen in der Gemeinschaft. Diese Wechselseitigkeit
sprachlich-performativer Ereignisse erlaubt dem Individuum seinen Ort in der
Gesellschaft zu finden und der Gesellschaft ihre, den Einzelnen dienenden
Qualitäten fortzuentwickeln.
Spiel und Kunst stellen anthropologische Faktoren dar und bilden die Resonanzräume in denen jede
menschliche Gemeinschaft ihre aktuelle „Stimmung“, sozusagen die Abstimmung
ihrer disparaten Bedingungen erlangen kann.
Spiel und Kunst sind auch in
unserer hochtechnisierten und organisierten Welt die wesentlichen
Begegnungsfelder, die Frei- und Übungsräume für die Entwicklung tragfähiger
Zukunftsstrategien. In ihnen eröffnet sich unserer Meinung nach der
augenblicklich wichtigste Raum für neue berufsbegleitende Lerninitiativen.
Spiel und Kunst stellen in diesem Sinn jene Bereiche des Alltags dar, in denen
die vielfältigen praktischen Anstößen genutzt werden können um Erfahrungsräume
zu schaffen, innerhalb derer Kompetenzen entdeckt und verfeinert,
Qualifikationen auf allen sinnlichen Ebenen entwickelt, schöpferisches Handeln
erprobt, Prozesse und Produkte kognitiv verarbeitet werden und somit
selbstorganisierte Lernprozesse immer wieder neu erfunden werden können.
Solche Anstöße und Anlässe finden
sich in zeitgenössischen Ansätzen aus Bildender Kunst, Theater, Bewegung,
Maske, Performance, Spiel. Sie regen an, die vielschichtigen Elemente des
Spiels immer wieder als Dramen des Alltags zu verstehen und zu erkunden und
im Umgang mit den alltäglichen Herausforderungen initiativ zu werden, sei es
nun im "Ausnahmezustand" bei den verschiedenen Fortbildungen, sei es als
"Spurensicherung im Alltag" bei der jeweiligen eigenen praktischen Arbeit.
Terremoto in Palazzo
gestaltet
"Bildungsräume" für selbstorganisierte Lernprozesse in
Bezug auf die spielerischen und künstlerischen Grundbedürfnisse jedes
Menschen.
Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Kolleginnen/en aus den Bereichen Bildende
Kunst, Theater, Tanz, Performance, Maske und Bewegung ist Voraussetzung für
diese Art von Bildungsarbeit. Nur so kann eine Vielfalt künstlerischer und
spielerischer Erfahrungen und Ausdrucksformen als Potential zur Gestaltung und
kreativen Schöpfung von beruflichen und alltäglichen Miteinander von Menschen
spürbar werden Nur so wird es möglich Grunderfahrungen, sowie erworbene
Handlungskompetenzen im jeweiligen Praxisfeld an Hand eigener Projekte zu
erproben. In der Gruppe können die individuellen Erfahrungen und
Ausdrucksformen untereinander ausgetauscht, befragt, reflektiert und neu
erprobt werden. Erst das sinnenhaften Erleben und das zum Bewußt-Sein-gelangen
der im eigenen kreativen Tun ablaufenden Prozesse können in ihrer Übertragung
in den jeweiligen persönlichen Alltag bzw. das berufliche Umfeld zum Anlaß
eigene Lern- und Erfahrungsinitiativen werden. Denn nur hier kann der Einzelne
jene Souveränität gewinnen, die es ihm erlaubt, immer wieder die Erfahrung zu
machen, dass die zutiefst eigenen Spielräume und Kunsterlebnisse die
eigentlichen Ressourcen aller individuellen und kollektiven
Gestaltungsinitiativen darstellen.
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